Freitag, 29. August 2014

Dossier: Martin Heidegger

Heute gibt es einen Einblick in die Gedankengänge eines genialen Philosophen der Neuzeit, den ich kürzlich für mich entdeckt habe. Der Name dieses Mannes - Martin Heidegger - war mir kein Begriff bis zur September-Ausgabe des Compact-Magazins. In diesem Beitrag stelle ich euch einige Zitate dieser interessanten Persönlichkeit vor. 

Quelle


Zur Person:
Nach dem Abitur studiert Martin Heidegger 1909 zunächst katholische Theologie und Philosophie. 1911 gibt er jedoch das Theologiestudium auf und konzentriert sich auf das philosophische Studium. Die Phänomenologie Edmund Husserls prägt entscheidend sein philosophisches Denken. Das bekanntestes Werk Martin Heideggers ist "Sein und Zeit" aus dem Jahre 1927. Danach erscheinen in rascher Folge weitere Schriften. Sie befassen sich unter vielem anderem mit der Geschichte der Philosophie, mit Interpretationen von Dichtungen (u.a. Hölderlin und Rilke), über die Sprache, über die Kunst und das Wesen der Technik. Nach dem Zweiten Weltkrieg führt die Auseinandersetzung mit der zentralen Frage nach dem Sein zu einer neuen Orientierung seines Denkens, die er mit dem Begriff "die Kehre" bezeichnet.

Zitate:
"Warum ist überhaupt Seiendes und nicht vielmehr Nichts? Das ist die Frage."
"Die Undefinierbarkeit des Seins dispensiert [Anmerkung: befreit] nicht von der Frage nach seinem Sinn, sondern fordert dazu gerade auf."
"Dass die Physiologie und die physiologischen Chemi den Menschen als Organismus naturwissenschaftlich untersuchen kann, ist kein Beweis dafür, dass in diesem 'Organischen', das heißt in dem wissenschaftlich erklärten Leib, das Wesen des Menschen beruht. Das gilt so wenig wie die Meinung, in der Atomenergie sei das Wesen der Natur beschlossen. Es könnte doch sein, dass die Natur in der Seite, die sie der technischen Bewältigung durch den Menschen zukehrt, ihr Wesen gerade verbirgt."
"Verzicht nimmt nicht, Verzicht gibt." [Anmerkung: Vegetarismus ist ein schönes Beispiel hierfür im Sinne des Verzichtes auf Fleisch als Nahrungsmittel und der dafür erhaltenen Gabe der Empathie, Bewusstseinsentwicklung und eine gesündere Lebensweise] 
 "Die Gelassenheit zu den Dingen und die Offenheit für das Geheimnis fallen uns niemals von selber zu. Beide gedeihen nur aus einem unablässigen herzhaften Denken."

Mittwoch, 2. Juli 2014

Buchauszug: Michel Chossudovsky: Global brutal - Der entfesselte Welthandel, die Armut, der Krieg

Dieser Beitrag gibt einen Einblick in Michel Chossudovskys Buch "Global brutal - Der entfesselte Welthandel, die Armut, der Krieg" und zeigt die fürchterlichen Folgen der Finanzpolitik von IWF, Weltbank und WTO auf. Das Buch beschreibt in einem nüchternen Stil die dramatischen Entwicklungen unter dem Deckmantel der Globalisierung und verknüpft scheinbar einzelne Ereignisse miteinander. Ein Meisterstück der Globalisierungskritik! Nachfolgend die komplette Einleitung des Buches.



Die Menschheit ist nach der Ära des Kalten Krieges in eine wirtschaftliche und soziale Krise beispiellos rascher Verarmung großer Teile der Weltbevölkerung gestürzt. Ganze Volkswirtschaften brechen zusammen, Arbeitslosigkeit nimmt überhand. In den afrikanischen Ländern südlich der Sahara, in Asien und Lateinamerika sind regionale Hungersnöte ausgebrochen. Diese Globalisierung der Armut – die die Errungenschaften der Entkolonialisierung nach dem Krieg weitgehend umgekehrt hat – begann in der Dritten Welt zusammen mit der Schuldenkrise der frühen 80er Jahre und der Durchsetzung der mörderischen Auflagen des Internationalen Währungsfonds (IWF).
Die Neue Weltordnung nährt sich von menschlicher Armut und der Zerstörung der natürlichen Umwelt. Sie schafft soziale Apartheid, schürt Rassismus und ethnische Kämpfe, sie höhlt die Rechte von Frauen aus und stürzt häufig Länder in zerstörerische Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Volksgruppen. Seit den 90er Jahren hat sie ihren Zugriff auf alle großen Weltregionen ausgedehnt, einschließlich Nordamerikas, Westeuropas, der Länder des ehemaligen Ostblocks sowie der neuen Industrienationen Südostasiens und des Fernen Ostens.
Diese weltweite Krise ist vernichtender als die Weltwirtschaftskrise der 30er Jahre. Sie hat weitreichende geopolitische Auswirkungen: Die wirtschaftlichen Verwerfungen werden begleitet von regionalen Kriegen, dem Auseinanderbrechen von Nationalstaaten und in einigen Fällen der Zerstörung ganzer Länder. Es ist bei weitem die schwerste Wirtschaftskrise in der modernen Geschichte.

Die Rezession nach dem Kalten Krieg. 
In der ehemaligen Sowjetunion war der wirtschaftliche Niedergang seit 1992 gravierender als der, den das Land im Zweiten Weltkrieg erlitten hatte – direkte Folge der tödlichen »Medizin« des IWF. Nach der Vollbeschäftigung und relativen Preisstabilität der 70er und 80er Jahre schoss die Inflation in die Höhe, Realeinkommen wie Beschäftigung brachen zusammen und die Gesundheitsversorgung wurde drastisch zurückgefahren. Als Folge haben sich Cholera und Tuberkulose mit alarmierender Geschwindigkeit über weite Regionen der ehemaligen Sowjetunion ausgebreitet.
Dieses Muster in der ehemaligen Sowjetunion wiederholte sich in ganz Osteuropa und auf dem Balkan. Eine Volkswirtschaft nach der anderen brach zusammen. In den baltischen Ländern (Litauen, Lettland und Estland) ging die Industrieproduktion ebenso wie in den Kaukasusrepubliken Armenien und Aserbaidschan um bis zu 65 Prozent zurück. In Bulgarien waren die Renten 1997 auf zwei Dollar im Monat gesunken. Die Weltbank räumte ein, dass 90 Prozent der Bulgaren unterhalb der von ihr definierten Armutsschwelle von vier Dollar am Tag lebten. Teile der Bevölkerung in ganz Osteuropa und auf dem Balkan, die kein Geld mehr für Elektrizität, Wasser und Transportmittel hatten, wurden brutal marginalisiert.
In Ostasien war die Finanzkrise von 1997 – gekennzeichnet von spekulativen Angriffen gegen nationale Währungen – in hohem Maße für den Niedergang der asiatischen »Tigerstaaten« Indonesien, Thailand und Korea verantwortlich. Die Stützungsvereinbarungen mit dem IWF unmittelbar nach dem Finanz-Crash führten praktisch über Nacht zu einem abrupten Sinken des Lebensstandards. In Korea wurden nach der »Vermittlung« des IWF – erreicht nach hochrangigen Konsultationen mit den weltgrößten Geschäfts- und Handelsbanken – »jeden Tag im Durchschnitt mehr als 200 Firmen geschlossen… 4000 Arbeitnehmer wurden jeden Tag auf die Straße gesetzt.« Zur gleichen Zeit stürzten die Löhne in Indonesien inmitten gewalttätiger Straßenkämpfe von 40 auf 20 Dollar im Monat; und der IWF bestand auf der Abkoppelung der Löhne vom Preisindex als Mittel, um den Inflationsdruck abzuschwächen.
In China droht durch die Privatisierung oder den erzwungenen Bankrott von Tausenden von Staatsunternehmen 35 Millionen Arbeitnehmern die Entlassung. Nach einer jüngsten Schätzung gibt es in Chinas ländlichen Gegenden 130 Millionen überschüssige Arbeitskräfte. Die Vorhersage der Weltbank von 1990, dass in China mit der Durchführung von »Marktreformen« die Armut im Jahr 2000 auf 2,7 Prozent fallen würde, klingt heute wie bittere Ironie.
In Großbritannien führten bereits während der Thatcher-Ära strenge Sparmaßnahmen zur langsamen Auflösung des Sozialstaates. Die Maßnahmen zur wirtschaftlichen »Stabilisierung«, die der Inflationsbekämpfung dienen sollen, drückten das Einkommen der arbeitenden Bevölkerung und schwächten die Rolle des Staates. Seit den 90er Jahren enthalten die Rezepte, die in vielen Industrieländern der Genesung der Wirtschaft dienen sollen, viele der wesentlichen Zutaten der strukturellen Anpassungsprogramme, die IWF und Weltbank den Ländern in der Dritten Welt und Osteuropa aufzwingen.
Im Gegensatz zu den Entwicklungsländern werden die Reformen in Europa und Nordamerika jedoch ohne die Vermittlung des IWF durchgesetzt. Die Anhäufung großer öffentlicher Schuldenberge in den westlichen Ländern hat den Finanzeliten einen politischen Hebel an die Hand gegeben und sie mit der Macht ausgestattet, die Wirtschafts- und Sozialpolitik der Regierungen zu diktieren. Unter dem Einfluss des Neoliberalismus sind überall die öffentlichen Ausgaben gestutzt und Sozialprogramme gestrichen worden. Die staatliche Politik betreibt die Deregulierung des Arbeitsmarktes; auf dem Programm stehen die Abkoppelung der Einkommen vom Preisindex, Teilzeitbeschäftigung, Frühpensionierung und die Erzwingung »freiwilligen« Lohnverzichts.
Gleichzeitig werden frei werdende Arbeitsplätze nicht neu besetzt, d.h. die Last der Arbeitslosigkeit wird auf die jüngeren Altersgruppen abgewälzt und mithin einer ganzen Generation der Weg in den Arbeitsmarkt verbaut. Die Regeln des Personalmanagements in den USA lauten: 

»Zerschlagt die Gewerkschaften, bringt die alten gegen die jüngeren Arbeitnehmer auf, ruft Streikbrecher, kürzt die Löhne und die betriebliche Krankenversicherung«.

Seit den 80er Jahren ist ein großer Teil der Arbeitnehmer in den USA aus gewerkschaftlich abgesicherten, gut bezahlten Arbeitsstellen in Niedriglohnjobs abgedrängt worden. Westliche Städte verelenden; die Lebensverhältnisse in den amerikanischen Ghettos und Slums sind in vieler Hinsicht auf das Niveau der Dritten Welt gesunken. Während die offizielle Arbeitslosenrate in den USA in den 90er Jahren sank, stieg die Anzahl der Menschen in niedrig bezahlten Teilzeitjobs sprunghaft an. Sinkt die Mindestlohnbeschäftigung weiter, werden große Teile der arbeitenden Bevölkerung völlig aus dem Arbeitsmarkt verdrängt: »Die wirklich brutale Seite der Rezession trifft im Wesentlichen die Gemeinschaften der neuen Einwanderer in Los Angeles, wo sich die Arbeitslosenzahlen verdreifacht haben und es kein soziales Netz gibt. Die Menschen befinden sich im freien Fall, ihr Leben fällt buchstäblich auseinander wenn sie ihre Niedriglohnjobs verlieren.«
Währenddessen reißt die wirtschaftliche Umstrukturierung tiefe Gräben zwischen den sozialen Klassen und ethnischen Gruppen auf. Das Klima in den großen Metropolen ist von sozialer Apartheid gekennzeichnet und durch die Stadtlandschaften ziehen sich ebenso unsichtbare wie scharfe Trennlinien. Der Staat reagiert mit zunehmender Repression, um die soziale Unzufriedenheit in den Griff zu bekommen und den zivilen Aufruhr zu bändigen.
Die Welle von Firmenzusammenschlüssen, Rationalisierungen und Fabrikschließungen betrifft alle Segmente der Arbeitnehmerschaft, denn die Rezession schlägt auch auf die Haushalte der Mittelklasse und die oberen Einkommensschichten durch. Forschungsbudgets werden beschnitten, Wissenschaftler, Ingenieure und Akademiker werden entlassen, und hoch bezahlte Beamte und Manager der mittleren Ebene werden zwangsweise in den Ruhestand geschickt.
Mittlerweile haben sich die Errungenschaften der frühen Nachkriegszeit durch die Verschlechterung der Arbeitslosenversicherung und die Privatisierung der Pensionsfonds weitgehend ins Gegenteil verkehrt. Schulen und Krankenhäuser werden geschlossen und damit die Bedingungen für eine umfassende Privatisierung der sozialen Dienste geschaffen.

Das Elend der Billiglohnökonomie. 
Die Globalisierung der Armut vollzieht sich in einer Phase schneller technologischer und wissenschaftlicher Fortschritte. Obwohl diese die potentielle Fähigkeit des Wirtschaftssystems enorm erhöhen, notwendige Güter und Dienstleistungen zu produzieren, hat der Produktivitätsschub nicht dazu geführt, die globale Armut zu vermindern. Das weltweite Absinken des Lebensstandards zu Beginn des neuen Jahrtausends ist nicht das Ergebnis einer Knappheit produktiver Ressourcen.
Im Gegenteil: Es sind gerade die Rationalisierung, die Umstrukturierung der Unternehmen und die Auslagerung der Produktion in Billiglohnländer in der Dritten Welt, die zu vermehrter Arbeitslosigkeit und beträchtlich niedrigeren Einkommen der städtischen Arbeitnehmer und der Bauern geführt haben. Diese neue internationale Wirtschaftsordnung nährt sich von Armut und billiger Arbeit. Die hohe Arbeitslosigkeit in den Industrienationen und Entwicklungsländern dient dazu, die Reallöhne zu drücken. Arbeitslosigkeit wird internationalisiert, wobei das Kapital auf der ständigen Suche nach billigerer Arbeit von einem Land zum anderen wandert. Der International Labor Organization (ILO) zufolge sind weltweit eine Milliarde Menschen, fast ein Drittel der globalen Erwerbsbevölkerung, von Arbeitslosigkeit betroffen.
Die Weltarbeitslosigkeit dient als Hebel, um weltweit die Lohnkosten zu regulieren: Weil in der Dritten Welt und dem ehemaligen Ostblock überschüssige Billigarbeitskräfte die Arbeit erledigen können, lassen sich auch die Löhne in den Industrieländern drücken. Die Reallöhne in der Dritten Welt und in Osteuropa sind bis zu 70-mal niedriger als in den USA, Westeuropa und Japan. Praktisch alle Berufsgruppen, auch hoch qualifizierte und wissenschaftliche Berufe, sind davon betroffen.
Während die herrschende ökonomische Lehre die »effiziente Verteilung knapper Ressourcen« einer Gesellschaft betont, dementieren die bitteren sozialen Realitäten die Konsequenzen dieser Verteilungslogik. Fabriken werden geschlossen, kleine und mittlere Unternehmen werden in den Bankrott getrieben, qualifizierte Arbeitnehmer und Staatsbedienstete entlassen. Im Namen der »Effizienz« liegen Humankapital und Produktionsstätten brach. Der unerbittliche Druck zur »effizienten« Nutzung der gesellschaftlichen Ressourcen auf mikroökonomischer Ebene führt zur genau entgegengesetzten Situation auf der makroökonomischen Ebene. Der moderne Kapitalismus scheint völlig unfähig zu sein, diese ungenutzten menschlichen und materiellen Ressourcen zu mobilisieren.

Reichtum durch spekulative und kriminelle Geschäfte. 
Diese globale wirtschaftliche Umstrukturierung fördert die Stagnation des Angebots notwendiger Güter und Dienstleistungen, während sie Investitionen in die lukrative Luxusgüterindustrie umlenkt. Statt auf produktive Wirtschaftstätigkeit konzentriert sich die Kapitalbildung zunehmend auf spekulative und betrügerische Transaktionen, die wiederum Störungen auf den großen Finanzmärkten der Welt verursachen.
Eine privilegierte Minderheit hat große Reichtümer auf Kosten der großen Mehrheit der Weltbevölkerung angehäuft. Die Zahl der Milliardäre allein in den USA stieg von 13 im Jahr 1982 über 149 im Jahr 1996 auf über 300 im Jahr 2000. Der globale Club der Milliardäre – mit etwa 450 Mitgliedern – verfügt über ein weltweites Gesamtvermögen, das deutlich über dem Bruttosozialprodukt der Gruppe der einkommensschwächsten Länder liegt, wo 59 Prozent der Weltbevölkerung leben. Der private Reichtum der Familie Walton aus Arkansas etwa, der die Einzelhandelskette Wal-Mart gehört (85 Mrd. Dollar) – einschließlich der Erbin Alice Walton und der Brüder Robson, John, Jim und Mutter Helen – ‚ ist mehr als doppelt so hoch wie das Bruttoinlandsprodukt von Bangladesch (33,4 Mrd. Dollar) mit einer Bevölkerung von 127 Millionen Menschen und einem Pro-Kopf-Einkommen von 260 Dollar im Jahr.
Darüber hinaus vollzieht sich die Kapitalakkumulation zunehmend außerhalb der realen Ökonomie, nicht durch produktive und kommerzielle Wirtschaftstätigkeit: »Erfolge am Aktienmarkt der Wall Street (also Spekulationsgewinne durch Aktienhandel) waren für den größten Teil der Zunahme von Milliardären im letzten Jahr (1996) verantwortlich.« Zugleich fließen Milliarden von Dollar aus spekulativen Transaktionen auf geheime Nummernkonten in den mehr als 50 Steueroasen auf der ganzen Welt. Nach einer konservativen Schätzung der US-Investmentbank Merrill Lynch beträgt der Reichtum von Privatpersonen auf privaten Bankkonten in Steueroasen 3,3 Billionen Dollar. Der IWF beziffert das Vermögen von Konzernen und Privatpersonen in Steueroasen auf schätzungsweise 5,5 Billionen Dollar, eine Summe, die sich auf 25 Prozent des gesamten Welteinkommens beläuft. Die weitgehend illegal erworbenen Reichtümer der Eliten der Dritten Welt auf Nummernkonten wurden in den 90er Jahren auf 600 Mrd. Dollar geschätzt, davon ein Drittel in der Schweiz.
Die »Marktreformen« begünstigen die Zunahme illegaler Aktivitäten und die Internationalisierung der Verbrechenswirtschaft. In Lateinamerika und Osteuropa konnten kriminelle Syndikate durch die von der Weltbank geförderten Privatisierungsprogramme illegale Mittel in den Erwerb von Staatseigentum investieren. Den Vereinten Nationen (UN) zufolge betragen die Einkünfte transnationaler Verbrecherorganisationen weltweit etwa eine Billion Dollar, das entspricht dem Bruttosozialprodukt der Gruppe der ärmsten Länder mit einer Bevölkerung von drei Milliarden Menschen. Diese UN-Schätzung schließt den Drogen- und Waffenhandel und den Schmuggel von Nuklearmaterial ein, ebenso wie die Gewinne aus der von der Mafia kontrollierten Dienstleistungsökonomie (z.B. Prostitution, Glücksspiel, Wechselstuben usw.). Was diese Zahlen nicht angemessen vermitteln, ist die Größenordnung der Investitionen
krimineller Organisationen in die legale Wirtschaft und die beträchtliche Organisationen in die legale Wirtschaft und die beträchtliche Kontrolle, die sie über reguläre Unternehmen gewonnen haben.
Kriminelle Gruppen arbeiten regelmäßig mit solchen Unternehmen zusammen und investieren in eine Vielzahl legaler Aktivitäten, die nicht nur einen Deckmantel für Geldwäsche bieten, sondern auch einen bequemen Weg darstellen, Reichtum außerhalb der kriminellen Ökonomie anzuhäufen. Einem Beobachter zufolge »erzielen organisierte Verbrechergruppen bessere Ergebnisse als die meisten Fortune 500-Unternehmen… mit Organisationen, die eher General Motors ähneln als der traditionellen sizilianischen Mafia«. Vor einem Unterausschuss des US-Kongresses erklärte FBI-Direktor Jim Moody, dass kriminelle Organisationen in Russland »mit ausländischen Verbrechergruppen zusammenarbeiten, darunter italienischen und kolumbianischen… Der Übergang zum Kapitalismus (in der ehemaligen Sowjetunion) bot neue Gelegenheiten, die rasch von kriminellen Organisationen ausgenutzt wurden.«

Die Krise der Überproduktion und die Verdrängung der Kleinproduzenten. 
Die Expansion der Produktion im globalen Kapitalismus verdankt sich der Minimierung der Beschäftigung und Löhne. Dadurch sinkt allerdings die Verbrauchernachfrage nach notwendigen Waren und Dienstleistungen. Einer unbegrenzten Produktionskapazität steht eine begrenzte Konsumkapazität gegenüber. Die Folge dieses Missverhältnisses ist Überproduktion in nie gekanntem Ausmaß. Die Unternehmen können in diesem System also nur expandieren, wenn gleichzeitig Produktionskapazität beseitigt wird, d.h. »überschüssige« Unternehmen Bankrott gehen und liquidiert werden. Wenn aber ganze Industriezweige brach fallen, erwirtschaften die davon betroffenen direkten Erzeuger kein Einkommen mehr, mit dem sie am Warenreichtum partizipieren könnten. Entgegen dem von der herrschenden ökonomischen Lehre verkündeten Theorem Jean Baptiste Says schafft Angebot nicht seine eigene Nachfrage. Seit den frühen 80er Jahren hat die Überproduktion von Gütern zu einem starken Verfall der (realen) Preise geführt, mit vernichtenden Konsequenzen besonders für die Rohstoffproduzenten, aber auch den Fertigungssektor in der Dritten Welt.
In den Entwicklungsländern werden ganze Industriezweige, die für den Binnenmarkt produzieren, auf Anordnung der Weltbank und des IWF in den Bankrott getrieben. Der informelle urbane Sektor – der historisch eine wichtige Rolle bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze spielte – wird als Folge von Währungsabwertungen, der Liberalisierung von Importen und der Überschwemmung der heimischen Märkte durch – zum Teil hoch subventionierte – Erzeugnisse aus den Industrieländern unterhöhlt.
Vor dem Hintergrund wirtschaftlicher Stagnation bzw. eines Minuswachstums in Osteuropa, der ehemaligen Sowjetunion und den Subsaharaländern verzeichnen die größten Konzerne der Welt ein beispielloses Wachstum und konnten ihren Anteil am Weltmarkt in nie gekannter Weise ausdehnen. Dieser Prozess vollzieht sich jedoch weitgehend durch die Verdrängung vorhandener Produktionskapazitäten, d.h. auf Kosten lokaler regionaler und nationaler Produzenten.
Sofern kleine und mittelgroße Unternehmen »vor Ort« in den Bankrott getrieben werden, sind sie gezwungen, für globale Großhändler zu produzieren, während große multinationale Konzerne durch das System der Lizenzvergabe die Kontrolle über die lokalen Märkte erlangen. Kapitalkräftige Großunternehmen (die Lizenzgeber) gewinnen auf diese Weise die Kontrolle über menschliche Ressourcen, billige Arbeitskräfte und das örtliche Unternehmertum und eignen sich so einen großen Teil des Einkommens kleiner lokaler Firmen und/oder Einzelhändler an, während der unabhängige Produzent (der Lizenznehmer) einen Großteil der Investitionen tragen muss.
Ein paralleler Prozess lässt sich auch in Westeuropa beobachten. Die politische Umgestaltung der Europäischen Union (EU) im Rahmen des Maastrichter Vertrags begünstigt zunehmend die herrschenden Finanzinteressen auf Kosten der Einheit der europäischen Gesellschaften. Die Staaten fördern bewusst die Bildung privater Monopole; das Großkapital zerstört das Kleinkapital in allen seinen Formen. Durch den Druck zur Bildung einheitlicher Wirtschaftsblöcke in Europa und Nordamerika werden regionale und lokale Unternehmer an die Wand gedrückt, das Wirtschaftsleben in den Städten verändert sich grundlegend, weil das Kleinunternehmertum verdrängt wird. Der »freie Handel« und die wirtschaftliche Integration verschaffen globalen Unternehmen größere Mobilität, während beides zugleich durch institutionelle Barrieren die Bewegung des kleinen, lokalen Kapitals verhindert. Die von Großunternehmen dominierte wirtschaftliche Integration fördert unter dem Anstrich politischer Einheit häufig soziale Gegensätze und Auseinandersetzungen zwischen und innerhalb nationaler Gesellschaften.

Konsens und Krieg. 
Diese hier nur angedeuteten Prozesse werden getragen von einem Konsens, der in wahrhaft überwältigender Weise hegemonial geworden ist und dem die Regierungen auf der ganzen Welt vorbehaltlos verpflichtet sind: dem Neoliberalismus. Allüberall werden die gleichen ökonomischen Rezepte befolgt. Unter der Schirmherrschaft von IWF, Weltbank und WTO schaffen die marktliberalen Reformen günstige Bedingungen für global operierende Banken und multinationale Konzerne. Tatsächlich jedoch handelt es sich gar nicht um ein System »freier« Märkte: Trotz der neoliberalen Rhetorik nämlich stellen die von IWF und Weltbank eingeforderten »strukturellen Anpassungsprogramme« nur einen neuen interventionistischen Rahmen dar.
Denn die 1944 in Bretton Woods geschaffenen Institutionen des IWF und der Weltbank sowie die 1995 gegründete WTO sind Bürokratien, Regulierungsinstitutionen, die unter einem zwischenstaatlichen Schirm zugunsten mächtiger wirtschaftlicher und finanzieller Interessen operieren. Hinter diesen globalen Institutionen stehen Wall-Street-Banker und die Chefs der weltgrößten Wirtschaftskonzerne. An ihren Treffen und Konsultationen hinter verschlossenen Türen nehmen außerdem die Repräsentanten mächtiger globaler Wirtschaftslobbys teil, darunter der Internationalen Handelskammer (ICC), des Trans Atlantic Business Dialogue (TABD) – die bei ihren jährlichen Zusammenkünften die größten westlichen Konzerne mit Politikern und WTO-Vertretern zusammenbringen – ‚des United States Council for International Business (USCIB), des Internationalen Wirtschaftsforums in Davos (bzw. im Januar 2002 erstmals in New York), des in Washington beheimateten Institute of International Finance (IIF), das die größten Banken und Finanzorganisationen der Welt repräsentiert, sowie anderer Organisationen. Weitere, halb verdeckt arbeitende Organisationen, die eine wichtige Rolle bei der Formung der Institutionen der Neuen Weltordnung spielen, sind z.B. die Trilaterale Kommission, die Bilderberg-Gruppe und der Council on Foreign Relations (CFR).
Die makroökonomischen Reformen und die fortwährend radikalisierte Handelsliberalisierung, die dieses mächtige Konglomerat der Globalisierungsagenten erzwingt, fördern die »friedliche« Rekolonialisierung von Ländern durch bewusste Manipulation der Marktkräfte. Obwohl dazu kein offener Einsatz von Gewalt erforderlich ist, stellt die rücksichtslose Durchsetzung dieser Wirtschaftsreformen dennoch eine Form der Kriegführung dar. In diesem allgemeineren Sinne sind Krieg und Globalisierung keine getrennten Probleme.
Was geschieht mit Ländern, die sich weigern, sich den westlichen Banken und multinationalen Konzernen zu öffnen, wie es die WTO verlangt? Militär und Geheimdienste des Westens pflegen den Kontakt zum Finanzestablishment. Die internationalen Finanzinstitutionen arbeiten auch mit der NATO und ihren verschiedenen »Friedens«-Missionen zusammen, ganz zu schweigen von der Finanzierung des dann fälligen Wiederaufbaus.
Zu Beginn des dritten Jahrtausends gehen Krieg und »freie Märkte« Hand in Hand. Der Krieg ist gewissermaßen das multilaterale Investitionsabkommen der letzten Instanz. Er zerstört physisch, was durch Deregulierung, Privatisierung und die Erzwingung von »Marktreformen« noch nicht vernichtet wurde. Direkte kriegerische Kolonialisierung und die Errichtung westlicher Protektorate erfüllen de facto den Zweck, westlichen Banken und multinationalen Konzernen ungehinderten Zugang zu den betreffenden Märkten zu verschaffen, so dass sie – wie in den Bestimmungen der WTO verlangt – global wie auf einem nationalen Markt agieren können. Die »Raketendiplomatie« von heute wiederholt die Kanonenbootdiplomatie, die im 19. Jahrhundert zur Durchsetzung des »Freihandels« diente. Nach den Opiumkriegen warnte Caleb Cushing, der 1844 von den USA nach China entsandt worden war, um die Öffnung der chinesischen Häfen auszuhandeln, die kaiserliche Regierung Chinas, dass »die Weigerung, den amerikanischen Forderungen nachzukommen, als Einladung zum Krieg aufgefasst werden könnte«.
Entwaffnet die Neue Weltordnung! Die Ideologie des freien Marktes stützt neue und brutale Formen staatlicher und suprastaatlicher Intervention, die auf der bewussten Manipulation von Marktkräften beruhen. Die Bedingungen des WTO-Abkommens zur Sicherung des freien Handels sichern tatsächlich die Rechte der weltgrößten Banken und multinationalen Konzerne. Dagegen verlieren die Bürger in den einzelnen Ländern das Recht auf politische Beteiligung, weil die Durchsetzung internationaler Handelsabkommen durch die WTO auf nationaler und internationaler Ebene in keiner Weise demokratisch legitimiert ist. So drohen die Vereinbarungen der WTO die nationalen Gesellschaften zu entmachten, während sie das internationale Finanzestablishment mit ausgedehnten Befugnissen ausstatten. Der Neoliberalismus mit seiner Rhetorik der »guten Regierungsführung« (good governance) und des freien Marktes bietet den Herrschenden eine nur fadenscheinige Rechtfertigung.
Die Neue Weltordnung basiert auf dem »falschen Konsens« von Washington und Wall Street, der das System freier Märkte als einzige mögliche Wahl auf dem schicksalhaften Weg zu globalem Wohlstand verordnet. Alle politischen Parteien, einschließlich der Grünen, der Sozialdemokraten und der ehemaligen Kommunisten, heulen heute mit im Rudel derjenigen, die diese Neue Weltordnung beschwören.
Auf die Globalisierungsskeptiker die sich in den letzten Jahren immer vernehmlicher zu Wort gemeldet haben und nun anfangen, die Festung des G8-Kartells zu bestürmen, kommen in Zukunft schier unlösbare Aufgaben zu. Sie müssen die hinterhältigen Verbindungen von Politikern und Vertretern der internationalen Finanzorganisationen aufdecken. Sie müssen alles daransetzen, staatliche Institutionen und zwischenstaatliche Organisationen aus der Umklammerung des Finanzestablishments zu befreien. Sie müssen der eklatanten Konzentration von Eigentum und privatem Reichtum entgegentreten, dem spekulativen Handel und der Geldwäsche Hindernisse in den Weg legen, Steueroasen austrocknen, für den Wiederaufbau des Wohlfahrtsstaats kämpfen. Sie müssen eine breite Koalition mit der Friedensbewegung eingehen, da das Militär, die Aufrüstung und die Sicherheitsdienste des Westens nicht nur unmittelbar den Weltfrieden bedrohen, sondern grundsätzlich auch die herrschenden Wirtschafts- und Finanzinteressen stützen. Sie müssen den globalen Medien und den von ihnen fabrizierten Nachrichten, mit denen die Weltereignisse verzerrt dargestellt werden, eine eigene Öffentlichkeit entgegenstellen, um das »falsche Bewusstsein«, das unsere Gesellschaften durchdringt und kritische Debatten im Ansatz erstickt, aus den Köpfen zu vertreiben.
Wir müssen diesen Kampf auf breiter Linie führen – in allen Ländern und in allen Gesellschaftsbereichen. Wir müssen uns über nationale, ethnische und soziale Grenzen hinweg verständigen, vernetzen und vereinigen. Wir müssen auf beispiellose Weise solidarisch und international handeln und der Wall-Street-Globalisierung die Globalisierung unseres Widerstandes entgegensetzen. Um die Armut zu beseitigen und einen dauerhaften Weltfrieden zu sichern, müssen wir die Neue Weltordnung entwaffnen.

Mittwoch, 28. Mai 2014

Was kann ICH denn schon tun?

Dieser Beitrag richtet sich an DICH und an MICH. Ich will DIR und MIR vor Auge führen, was jeder Einzelne von uns machen kann, damit die Welt zu einem besseren Ort für UNS und für unsere Kinder wird. Ich höre viele Stimmen, die sich fragen: Was kann ICH denn schon tun? DIE machen doch eh was DIE wollen. Nun, wie sich bei der Recherche zu diesem Beitrag gezeigt hat, gibt es eine Menge was WIR tun können. Ich nehme mich da auch selbst nicht heraus und möchte auch nicht wie ein Moralapostel wirken, denn ich fange gerade auch erst an AKTIV zu werden, obwohl ich dies schon viel früher machen wollte. Der schwierigste Schritt ist immer der erste Schritt, da wirst DU mir sicher Recht geben. Nachfolgend zeige ich DIR eine Reihe von Möglichkeiten, die sich anbieten. Einige dieser Vorschläge habe ich bereits umgesetzt, andere werde ich nach und nach in Angriff nehmen. Ich bitte DICH darum, diese Liste zu ergänzen und falls DU der Meinung bist, dass hier etwas Fehl am Platz ist, dann berichte mir davon. Auf geht's!



  • Du solltest Dein Denken und Handeln stets hinterfragen, denn niemand ist allwissend! Erweitere Deinen Horizont, in dem Du Bücher liest zu Themen, die Dich interessieren, aber auch zu Themen, denen Du eigentlich kritisch gegenüber stehst. Nur so prüfst Du wirklich alle Argumente, denn oftmals argumentieren Menschen mit Halbwissen, das sie beispielsweise aus den gängigen Leitmedien "erfahren" haben. Es gibt immer die zweite Seite der Medaille! 


  • Bilde Dich weiter statt abends vor dem Fernseher oder der Konsole "abzuschalten". Wenn Du das tust, dann lässt Du AKTIV die Gehirnwäsche zu, mit der man uns jeden Tag bombardiert. Du kannst natürlich auch informative Dokumentationen und Reportagen anschauen und die Inhalte mit Menschen teilen.


  • Dieser Schritt führt Dich zu der Erkenntnis, dass vieles schief läuft heutzutage. Vielleicht bist Du aber jemand, der das Spiel schon durchschaut hat und jetzt nach Lösungen sucht. Auf die kommen wir gleich zu sprechen, jedoch würde ich gerne loswerden, dass man sich trotzdem weiter über die uns versklavenden Mechanismen informieren sollte, damit man stets auf dem Laufenden bleibt. Denn die Propaganda schläft nicht und versucht ihrerseits neue Reize zu setzen. Wichtig ist es ebenso die Fakten nicht zu ignorieren, sondern aktiv zu diskutieren - wer nach dem "Scheiss-egal"-Prinzip handelt, wird auch keine Motivation verspüren AKTIV gegen Missstände aufzustehen. 


  • Um sich wirklich zu informieren, solltest Du nicht gerade die Massenmedien zur Informationsbeschaffung verwenden, die nachweislich Lügen verbreiten. Die Medienvielfalt, die man uns suggeriert, ist in Wahrheit eine Illusion. Du weisst doch längst, dass diese Medien Dir nicht die Wahrheit erzählen, warum informierst Du Dich noch durch sie? Ich plädiere für einen Boykott dieser Medien, denn durch das Einschalten der Nachrichten, das Aufrufen ihrer Internetpräsenz oder das Kaufen ihrer Zeitungen und Magazine geben wir ihnen eine Legitimation und halten sie am Leben. Stattdessen kannst Du unabhängige Medien unterstützen, denn es gibt noch integren Journalismus und dieser muss gefördert werden. Ich werde an dieser Stelle keine Werbung für bestimmte Portale oder Zeitschriften machen, falls Du aber Interesse hast, kannst Du mich gerne kontaktieren.


  • Wir leben im Informationszeitalter des Internets und das Internet ist ebenfalls ein "Ort" an dem Du eine Wandlung erleben kannst. Du kannst beispielsweise eine andere Suchmaschine als Google benutzen. Google ist ein riesiger Konzern, der Deine Daten nachweislich an Unternehmen verkauft. Es gibt Alternativen, die es wert sind, sie genauer zu untersuchen! Hinzu kommt die Möglichkeit durch Online-Petitionen von Deiner Stimme Gebrauch zu machen. Dies dauert keine 5 Minuten und du kannst die verschiedensten Ideen unterstützen - bequem vom Schreibtisch aus. Hier ein aktuelles Beispiel für das TTIP-Handelsabkommen.


  • Das Internet bietet Dir zahlreiche weitere Möglichkeiten. Du kannst wichtige Informationen oder Artikel in sozialen Netzwerken liken und teilen statt diese einfach nur selbst zu lesen. Es ist wichtig, dass wir die Stärken dieser Plattformen voll ausnutzen und die Informationen flächendeckend verteilen. Dies wird ermöglicht durch das Jeder-kennt-jeden-Gesetz, welches besagt, dass alle Personen eines Netzwerks sich über 6 Ecken kennen. Merkst Du jetzt wie wichtig die Verbreitung von Informationen auf Facebook und co. ist? Du kannst auch weiter gehen und Material verteilen, in dem Du informative Artikel ausdruckst und in der Bahn, Kantine oder auf öffentlichen Plätzen verteilst und auslegst. Zudem kannst Du heute relativ einfach einen eigenen Blog betreiben und auf diesem Themen behandeln, die Dir wichtig erscheinen. Du kannst hierbei auch einfach über Deine Talente schreiben und anderen Menschen Tipps geben, wenn Du beispielsweise ein talentierter Zeichner oder Zeichnerin bist. Du kannst Produktseiten öffentlich anschreiben - z.B. durch Facebook - und von ihnen fordern, dass sie endlich im Sinne des Volkes, der Verbraucher und der Umwelt handeln. Du kannst Politiker anschreiben und somit öffentlich Kritik äußern. Hierbei solltest Du keine Angst vor möglichen Konsequenzen haben, denn Deine Stimme zu erheben ohne sofort erschossen zu werden, ist ein Privileg welches wir hier in der westlichen Welt nun einmal haben und wir sollten auch Gebrauch davon machen! Wir müssen wie ein Schwarm sein, ohne erkennbare Führung und mit absoluter Gleichberechtigung! Jeder einzelne Mensch, den man so über das Internet erreicht, ist wichtig und kann ein Multiplikator werden! Schließlich möchte ich Dir eine Seite ans Herz legen, in der Du Dich mit anderen Menschen aus Deiner Region vernetzen kannst und über das Forum Hilfe suchen oder auch Hilfe annehmen kannst. Die Seite nennt sich WIRkarte, schau einfach mal rein.


  • Ein weiterer wichtiger Punkt ist der Besuch bzw. die aktive Teilnahme an Demonstrationen. Hierbei ist nicht nur der Gebrauch Deiner Stimme ausschlaggebend, sondern das Treffen mit Gleichgesinnten. Bei einer Demonstration kannst Du Menschen kennenlernen, die ähnlich denken und ebenfalls mit den Verhältnissen unzufrieden sind wie Du. Zudem zeigst Du Präsenz auf der Straße, denn nur so erreichst Du auch Menschen, die möglicherweise in keinem sozialen Netzwerk aktiv sind. Außerdem kannst Du neue Informationen erhalten oder einfach Freundschaften schließen und möglicherweise einen Dienst zur Nachbarschaftshilfe leisten.


  • Konsum einschränken! Wir müssen dem System unsere Kaufkraft entziehen und zeigen, dass wir den Unsinn von immer mehr Wachstum nicht mehr mitmachen und dass dies nicht in unserer Natur liegt. Kaufe nur das, was Du wirklich brauchst. Du musst Dir nicht alle zwei Jahre ein Handy aufschwätzen lassen. Dein Fernseher tut auch noch die nächsten drei Jahre - vor allem wenn Du ihn nicht so oft einschaltest. Du musst auch nicht immer Neuware kaufen, Second-Hand tut es auch und damit unterstützt Du auch mittelständische Geschäfte. Wenn etwas kaputt ist, musst Du es nicht sofort wegschmeissen. Versuche es doch mal zu reparieren oder wenn Du es nicht kannst, an jemanden zu geben, der es tut. Nähe auch mal Deine Kleidung, falls sie ein kleines Loch hat, anstatt zum nächsten Modegeschäft zu rennen und Dir die neuesten und hippen Gewänder zu kaufen. Prüfe nach, ob ein Produkt von bestimmten Konzernen in Billiglohn-Ländern produziert wird, bevor Du es kaufst. Sei kritisch!


  • Kaufe keine Platiktüten beim Einkauf, sondern denke vor und nimm ein paar Stofftüten mit, die man öfter verwenden kann und die biologisch schneller abbaubar sind als Platiktüten. Wenn das jeder von uns macht, wird automatisch weniger Plastik produziert. Versuche so wenig Müll wie möglich zu produzieren und verzichte auf aufwendig verpackte Produkte. Sei ein Beispiel für Deine Mitmenschen und trenne Müll richtig, so dass beim Recyclen weniger Ressourcen verloren gehen bzw. gebraucht werden, um den Müll später zu trennen. Entrümpel Deinen Keller und trenn Dich von unnötigem Ballast. Horte keine Dinge, die Du sowieso nicht brauchst - denn (zu viel) Besitz macht nicht frei, sondern hält Dich gefangen. Lerne Dich von der Konsum- und Besitzgesellschaft unserer Zeit zu befreien!


  • Die nächsten Punkte werden etwas ausführlicher - es geht um Nahrung. Um lange und ressourcenfordernde Transportwege zu vermeiden, kannst Du es in Erwägung ziehen saisonal zu essen. Erdbeeren aus Spanien im Winter? Come on! Das muss nun wirklich nicht sein. Menschen in früheren Zeiten hatten genau diesen Jahreszeiten bedingten Rhythmus und das entspricht doch mehr den natürlichen Abläufe, findest Du nicht auch? So gibt es etwa die Möglichkeit saisonale Gemüsekisten zu bestellen oder auch regional beim Bauern in der Nähe einzukaufen. Diese Produkte sind oftmals hochwertiger als ihre Pendants im Discounters, da es nicht zu einer Manipulation durch Pestizide und Wachstumshormonen kommt - zumindest nicht in dem Ausmaß, der in Massenzuchthäusern stattfindet. Dies ist natürlich teurer als die Lebensmittel im Supermarkt, aber beim Essen sollte man nicht sparen, wie ich finde. Somit unterstützt Du direkt Kleinbauern und entziehst Dich dem durch Großkonzerne wie Monsanto dominierten weltweiten Agrarmarkt. Einen Hofladen bei Dir in der Nähe findest du HIER. Des Weiteren solltest Du in Erwägung ziehen, Fairtrade-Marken zu unterstützen - beispielsweise bei Kaffee. Das ist sicherlich auch teurer als der "Billig"-Kaffee, jedoch ist es nur fair! Wem das egal ist, dem sei gesagt, dass man durch billigen Kaffee DIREKT die Abzocke von den Plantagenarbeitern und ebenso Kinderarbeit unterstützt. Lieber etwas weniger Kaffee trinken aber dafür guten und fair bezahlten - das hilft auch der eigenen Gesundheit. Sicherlich gibt es Abzocker bei diesen Fairtrade- und Biomarken, jedoch liegt es in Deiner Hand Dich darüber zu informieren und die Deiner Meinung nach richtige Wahl zu treffen. Bio ist nicht automatisch gleich Bio!


  • Ein Plädoyer für Vegetarismus habe ich schon gehalten, falls Dich das Thema beschäftigt - Material gibt es genug. Für Fleischesser sei an dieser Stelle gesagt, dass es möglich ist direkt beim Bauer Fleisch zu erwerben - dabei kann man sich auch anschauen, wie die Tiere gehalten werden. Ein höherer Preis für das Fleisch als im Discounter sollte auch hier selbstverständlich sein. Auf Besuche von Fast Food-Restaurants wie Crack Donalds und Murder King solltest Du weitesgehend verzichten - dieses Essen ist nachweislich absolut ungesund, bietet überhaupt keinen Nährwert und holzt den Regenwald schneller ab als alles andere! Falls Dir also die Lungen unseres Planeten etwas bedeuten, dann verzichte und kaufe dort nicht einmal einen Salat oder einen Veggie-Burger - dadurch unterstützt Du den Konzern ja trotzdem!


  • Autark leben als Ideal: Vielleicht fragst Du Dich was das sein soll - nun, es ist eine Lebensweise, in der man sich selbst versorgt durch eigenen Gemüse- und Obstanbau beispielsweise. Dazu musst Du keinen großen Garten besitzen, es reicht ein kleiner Balkon oder eine Terrasse. Im Internet findest Du viele hilfreiche Anregungen und Tipps unter: Urban Gardening, Guerilla Gardening, Saatbomben, Salatbaum, usw. Es gibt beispielsweise vertikales Gärtnern (auch HIER zu sehen), Window Farming oder Indoor Farming von Kräutern. Zusätzlich kannst Du auch Wildpflanzen wie Löwenzahn, Brennnesseln (leckerer Tee) oder Holunder sammeln und diese verarbeiten bzw. es lernen diese zu verarbeiten. Ich habe letztens auch damit angefangen und versuche mich darin weiterzubilden. Meine Eltern haben einen Strebergarten und bauen dort sehr viel Gemüse, Obst, Kräuter und Kartoffeln an. Diese Lebensmittel sind um einiges vitaler als aus dem Supermarkt - so viel ist sicher! Hier einige Bilder von meinen Gartenversuchen, die ich mit meiner Freundin zur Zeit hege und pflege:

Kartoffeln in einem einfachen Plastikeimer - besser in einem Holzfass

Lauchzwiebeln in einem Blumenkasten für Balkons

Kohlrabi und Paprika in einem Blumenkasten für Balkons

weiße Behälter: Tomaten, brauner Behälter: Buschbohnen

  • Es gibt auch eine ganz gute Website mit den Standorten von Wildpflanzen und -obst in Deiner Umgebung. Des Weiteren empfiehlt es sich Obst und Gemüse einzulagern/ einzukochen bzw. einzufrieren, so dass man auch im Winter nicht saisonal essen kann. Hierbei gehen zwar einige Vitamine verloren, aber es ist besser als im Winter gespritztes Gemüse aus Mega-Gewächshäusern kaufen zu müssen. 
  • Glas durch Plastik ersetzen kann ich Dir nur wärmstens empfehlen, besonders bei Wasser. Dieses hat so einen viel besseren Geschmack und es gelangen auch keine Nano-Plastikpartikel in Deinen Organismus.
  • Bei Elektrogeräten, Möbeln und Stoffen solltest Du auf eine gute Qualität und damit verbundene lange Haltbarkeit achten. Wenn man nicht so viel Geld hat, dann sollte man eher in gebrauchte Dinge mit guter Qualität investieren, als in Billigwaren, die in Ländern mit Niedriglöhnen und Menschenausbeutung hergestellt werden.


  • Benutze für kurze Strecken ein Fahrrad oder gehe zu Fuß anstatt den Motor Deines Autos anzuwerfen. Überhaupt sollte man sich die Frage stellen, ob ein Auto wirklich notwendig ist - vor allem in Großstädten mit ausreichend ausgebautem öffentlichen Verkehrsnetz.
  • Der Konsum von Pharma-Artikeln sollte ebenfalls umgehend überdacht werden. Es ist sinnvoller sich mit pflanzlichen Mitteln/ einfachen Hausmitteln zu befassen als seinem Organismus noch weiter Schadstoffe zuzuführen.
  • Um Strom zu sparen ist es ratsam alle elektrischen Geräte aus der Steckdose zu ziehen wenn man diese nicht benutzt. Das tut nicht nur dem eigenen Geldbeutel gut, sondern auch den Ressourcen des Planeten. Dasselbe gilt natürlich für Wasser - Wasser kannst Du immer sparen, ob beim Zähne putzen, duschen oder Geschirr spülen.
  • Ich weiss, dass viele Menschen gerne sehr viel Sport machen. Doch in letzter Zeit artet das bei einigen sehr aus. Sport ist sehr wichtig, man sollte regelmäßig Sport treiben. Aber der Fitnesswahn, dem viele Menschen erliegen, ist sehr merkwürdig. Spüre die Verbundenheit zu Deinem Körper, aber übertreibe es nicht, in dem Du ihn drillst! Folge keinen falschen Idealvorstellungen, die uns in der Gesellschaft präsentiert werden - von Magermodels zu Muskelmännern. Bringe Dich in Einklang - vernachlässige und vergesse vor lauter Fitnesswahn nicht Deine emotionalen Aspekte! Ein sehr interessantes Video hierzu. Meditiere und gehe in Dich, denn wahrer Frieden kommt von Innen und in der Ruhe liegt die Kraft. Beschäftige Dich doch mal mit den großen Fragen: Wer bist Du? Woher kommst Du? Wohin gehst Du? Befreie Dich hierbei aber von dogmatischen Religionen und falschen Wertvorstellungen. Die einzige Wahrheit liegt in Dir und sonst nirgendwo!


  • Schätze jedes Leben, so klein und unbedeutend es auch scheinen mag! Verzichte doch einfach auf Produkte von Unternehmen, die nachgewiesenermaßen auf Tierversuche setzen. Hier eine kleine Auflistung. Unsere Devise sollte lauten: BEWUSSTER LEBEN!
  • Es gibt noch viele weitere spannende Projekte, die bereits jetzt schon Anwendung finden: Regionale Währungen, Gemeinschaftsgärten, alternative Energien, Re-Skilling, lokale Wirtschaft stärken. Eines davon ist Transition Town. Dabei geht es vor allem um Dezentralisierung - dem Gegenteil was wir heute weltweit erleben, nämlich die Zentralisierung:


  • Als wichtig erachte ich es auch, dass man frisch aufgeweckte Menschen nicht bremsen, verwirren  oder kritisieren sollte. Jeder Mensch "wacht" in seinem eigenen Tempo auf - es handelt sich hierbei nicht um einen Wettbewerb! Wir müssen uns gegenseitig unterstützen und brauchbare Tipps geben. Es nützt niemandem, wenn wir uns gegenseitig fertig machen und in Konkurrenz miteinander leben, so wie uns die Gesellschaft dazu trimmt! Jeder kann von jedem lernen! 
  • Du stehst nicht alleine da, es gibt Millionen, die so denken und fühlen wie Du, die gerne ein anderes Leben führen würden. Du darfst nicht weiter glauben, dass Du allein nichts ausrichten kannst! Das stimmt einfach nicht! Jeder einzelne kann etwas beitragen, dann ist der Wandel da! Hege auch keinen Hass gegen diejenigen, die uns unterdrücken und versklaven wollen. Gegen diejenigen, die Kriege führen und auch noch Profit daraus schlagen! Hasse nicht, denn wir nicht geliebt wird, hasst! Nur wer nicht geliebt wird, hasst!


  • Schließe auch keine Kinder von diesem Wandel aus, denn die Kinder brauchen diese Veränderung erst recht. Lehre sie was Recht und Unrecht ist, zeige ihnen eine andere Perspektive auf das Leben als sie in der Schule lernen. 
  • Anstatt gegen das System zu sein, sollten wir etwas neues aufbauen. Dies setzt kreative Energie ins uns frei! Buckminster Fuller hat diese Idee vorgelebt, in dem er kreativ und naturnah konstruiert hat - von Autos bis hin zu Gebäuden. Ihm verdanken wir auch dieses Zitat:
"Man schafft niemals Veränderung, in dem man das Bestehende bekämpft. Um etwas zu verändern, baut man neue Modelle, die das Alte überflüssig machen."


  • Aber vor ALLEM: Zeige wieder Menschlichkeit! Das ist mit das Wichtigste, was Du tun kannst. Leg Deine eventuell vorhandene Gleichgültigkeit an Mensch, Tier und Umwelt ab und zeige Dich verantwortlich. Sei hilfsbereit, aufmerksam, freundlich und respektvoll im Umgang mit anderen und auch Dir selbst. Halte Dich an Menschen, die Dir nahe stehen, versöhne Dich mit Deinem Nachbarn und gehe nicht an Fremden vorbei, die Hilfe brauchen. Gebe Obdachlosen etwas ab - es nimmt Dir persönlich nur wenig weg, aber gibt so viel! Lache Menschen nicht aus, wenn sie etwas falsch machen, sondern biete Deine Hilfe an, um zu zeigen, wie es besser gehen könnte. Schau niemals auf Menschen herab, außer Du hilfst ihnen beim Aufstehen. Nimm ein Ehrenamt an, wenn es Deine Zeit zulässt. Lege Vorurteile ab, bekriege nicht, sondern schließe Frieden. Wer streitet, der zeigt nur den Frust, den er selber in sich hat - sonst nichts! Es ist absolut unnötig und vergiftet das Klima unter uns nur unnötig. Bringen wir jedem Menschen zunächst einmal Wertschätzung entgegen - nur dann werden wir alle gemeinsam eine Wertschöpfung haben können! Lasse Deine negativen Gefühle weg und konzentriere Dich auf die Lösung:


"Wenn viele kleine Leute an vielen kleinen Orten viele kleine Dinge tun, können sie das Gesicht der Welt verändern." (afrikanisches Sprichwort) 

Diese Liste ist bei weitem nicht vollständig, ICH würde mich freuen, wenn DU noch Input hast. :-)

Dienstag, 20. Mai 2014

Gastbeitrag: Stefan Korinth - Die nützliche Erfindung der "Pro-Russen"

Zum Gastbeitrag


Seit Beginn des Ukraine-Konflikts zeigen die deutschen Medien mit dem Finger auf Moskau. Innerukrainische Erklärungen für den Konflikt spielen hingegen kaum eine Rolle. Als nützlichste Medien-Erfindung erweisen sich dabei die "Pro-Russen"

Die Konfliktparteien in der Ukraine als "pro-russisch" und "pro-westlich" zu bezeichnen, hatte sich seit Beginn der Auseinandersetzung medial eingebürgert. Jedoch beschreiben solche Begriffe die beiden Lager mit all ihren Ausprägungen und inneren Widersprüche nur ungenügend und zum Teil auch falsch. So war Janukowitschs Politik lange positiv auf die EU ausgerichtet und Brüssel galt er als legitimer Verhandlungspartner. Wohingegen die Partei Swoboda und andere rechtsradikale Gruppen lieber eine national-souveräne als eine europäisch-integrierte Ukraine wollen. Schon im Dezember 2013 konnten diese Dinge jedem Journalisten mit ein wenig Recherche klar sein.

Statt "pro-russisch" und "pro-westlich" haben sich in der Ukraine denn auch ganz andere Bezeichnungen für die Konfliktparteien etabliert: Euro-Maidan und Anti-Maidan. Diese Begriffe nutzen hiesigen Medien jedoch kaum, hätten sie doch zur Folge, sich genauer mit den Gruppen beschäftigen zu müssen.
Als Viktor Janukowitsch aus der Ukraine flüchtete, begann ein neues Kapitel in dem Konflikt. Für jeden ersichtlich, hatten die Euro-Maidan- und die Anti-Maidan-Bewegung nun die Rollen getauscht.[1] Die einen sitzen seitdem an den Schalthebeln der Macht, die anderen haben sich in ihren Regionen bewaffnet, öffentliche Gebäude besetzt und Barrikaden gebaut – geradezu ein Spiegelbild der Situation von Dezember bis Februar. [2] Auch die internationalen Unterstützer beider Seiten drehten ihre Argumentation jeweils um 180 Grad.

Ukrainer werden zu Pro-Russen

Doch seit diesem Moment gilt das Ganze nicht mehr als Auseinandersetzung zweier inländischer Konfliktparteien, die jeweils mächtige ausländische Regierungen hinter sich wissen. Medien konstruieren stattdessen, dass Russland gegen die Ukraine kämpft.[3] Egal ob bewaffnet oder friedlich - aus ukrainischen Regierungsgegnern werden so pauschal "Pro-Russen".
Bildsprache: Foto-Montagen in TV-Sendungen konstruieren gern Duelle zwischen Russen und Ukrainern. Der als seriös geltende Dokumentationskanal Phoenix stellt dabei in tendenziöser Weise vermummte bewaffnete Russen und lächelnde junge Ukrainer gegenüber. Bilder: Screenshots der Sendungen Maybrit Illner (8. Mai) und "Phoenix vor Ort" (14. Mai)
Doch die Identität dieser "pro-russischen Kräfte" bleibt auch medial im Ungefähren. Vielleicht sind sie aus dem großen Nachbarland eingesickert, um für ein imperiales Großreich zu kämpfen? Vielleicht sind sie ethnische Russen, die in der Ukraine leben und der russischen TV-Propaganda alles glauben? Nur eins dürfen sie nicht sein: Bewohner der Ukraine mit dem berechtigten Anspruch, Akteure innerukrainischer Debatten zu sein.
Für Spiegel-Autorin Christiane Hoffmann sind die Bewaffneten dort "Gesindel"[4], für Welt-Kommentator Florian Eder "als einheimische Demonstranten verkleidete Unruhestifter"[5] und für ZDF-Korrespondentin Katrin Eigendorf einfach "Terroristen"[6]. Die Bewaffneten in der Westukraine bezeichnete kein Journalist so. Ganz klar: Professionelle Neutralität geht anders.
Hiesige Medien berichten aber auch über friedliche Regierungsgegner im Osten und Süden der Ukraine so, als wenn diese dort Fremdkörper oder Ausländer wären. Aus zahllosen Berichten trieft es: verblendete Sowjetnostalgiker, leichtgläubige Propaganda-Opfer, Putin hörig, grundlos hysterisch. Die Ängste, Anliegen und politischen Vorstellungen dieser Ukrainer sind damit nicht mehr legitim. "Moskau-nah", "pro-russisch", "kreml-treu" – wer gegen die neue Regierung ist, muss in vielen deutschen Journalistenaugen für Putin und den Zerfall der Ukraine sein.[7]

Tendenziöses Argumentieren leicht gemacht

In deutschen Medien heißt es nicht Euro-Maidan gegen Anti-Maidan, sondern Ukraine gegen Russland. Das geht zwar an der Realität vorbei, denn der Konflikt ist zuallererst ein innerukrainischer, doch hat ein Duell Kiew gegen Moskau für parteiische deutsche Journalisten viele Vorteile:
Mit den sozialen, politischen und wirtschaftlichen Spannungen innerhalb der Ukraine brauchen sie sich nun erst recht nicht auseinanderzusetzen. Handlungen der neuen Regierung wie etwa die Entlassung tausender Staatsangestellter, die Wiedereinführung der gerade abgeschafften Wehrpflicht oder die Erhöhung der Energiepreise für Privathaushalte müssen nicht näher besprochen werden.
Die Ukraine können sie als eigentlich geeintes Land darstellen, das letztlich nur von außen destabilisiert wird. Das wertet gleichzeitig die Maidan-Bewegung als "vom ganzen Volk getragen" auf und nimmt die privaten bewaffneten Regierungsunterstützer aus dem Blick.
Den "Westen" (EU, USA) können deutsche Journalisten als Partei mit Ambitionen und als in der Ukraine tätigen Akteur völlig heraushalten. Noch besser: Die verbündeten Regierungen des transatlantischen Raums werden als "die internationale Gemeinschaft"[8] – mithin als überparteiischer, besorgter Beobachter mit legitimen Eingriffsrechten präsentiert.
Medial kann nun Wladimir Putin für alle Aktionen der Pro-Russen direkt verantwortlich gemacht und alle Widersprüche zwischen beiden als Verlogenheit Putins charakterisiert werden.
Und schließlich können Journalisten ihren moralischen Kompass durch die Erfindung der Pro-Russen ganz neu einstellen. Die Übergangsregierung hat nun selbstverständlich das Recht, sich mit militärischer Gewalt zu verteidigen, sie wird ja – anders als Janukowitsch – von außen attackiert. Sie setzt ihre Armee und die sogenannte Nationalgarde eben nicht gegen Ukrainer ein, sondern gegen (Pro-)Russen, die das Land spalten wollen. Diese zu töten gilt dann als akzeptabel.

Behauptungen statt Beweise

Selbst die Vorsilbe "pro" erscheint so manchem Medienschaffenden überflüssig.[9] Deutlich macht dies vor allem die wie ein Faktum behandelte Annahme, dass russisches Militär vor Ort agiert. Anders als auf der Krim, wo etwa Lastwagen der russischen Armee gefilmt wurden, gab es in den restlichen Teilen der Ukraine keinen stichhaltigen Beweis für Streitkräfte aus dem Nachbarland. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Belege hierfür schon lange den Weg in die Öffentlichkeit gefunden hätten, wenn es sie gäbe.
Was es gibt, sind Indizien bei der Bewaffnung einiger Kämpfer[10], fragwürdige Hinweise auf einen bärtigen Mann[11] und auf einen uniformierten Schauspieler.[12] Selbst der in mehreren transatlantischen Clubs tätige FAZ-Kommentator Klaus-Dieter Frankenberger spricht in diesem Zusammenhang lediglich von "Gerüchten" und "Vermutungen" gegen Russland.[13] Tatsächlich wissen die deutschen Medien nichts darüber, ob russische Militärangehörige getarnt als "Separatisten" in der Ukraine aktiv sind.

Argumentations-Basis: Unterstellungen

Trotzdem ist diese Behauptung unverrückbare Grundlage so ziemlich jeder journalistischen Argumentation gegen Russland. So werden etwa mediale Forderungen nach mehr Sanktionen einzig und allein mit der "Destabilisierung"[14] der Region durch Russland begründet.[15] Ohne Beweise ist die mediale Rechtfertigung für immer neue Sanktionen zutiefst unaufrichtig und unprofessionell. Es entsteht der Eindruck, deutsche Medien besorgen aus nationalen Reflexen heraus das Geschäft von Regierungen und Lobbygruppen, die sie doch eigentlich als selbst ernannte "Vierte Gewalt" kontrollieren wollen.
Auf die naheliegende Idee, dass sich die Bewaffneten aus desertierten ukrainischen Soldaten, einheimischen Tituschki-Banden und früheren Berkut-Polizisten[16] rekrutieren, will kein deutscher Journalist kommen.[17]Viele dieser Kämpfer haben sowohl die nötige Ausbildung als auch Zugang zu Waffen. Schließlich wurden zahlreiche Depots in Polizeistationen und Kasernen sowie Waffengeschäfte geplündert.[18] Was aber noch wichtiger ist, diese Leute haben auch die notwendige Wut und Motivation gegen anrückende westukrainische Truppen Schusswaffen einzusetzen. Immerhin löste die neue Regierung die Sonderpolizei Berkut noch Ende Februar auf.[19]
Dass es sich bei den ostukrainischen Regierungsgegnern (offizielle Sprachregelung "pro-russische Separatisten") aber auch um unbewaffnete Zivilisten handelt, zeigen mehrere Videos.[20] Dort ist zu sehen, wie Einwohner mit Zivilcourage versuchen, anrückende Panzer zu stoppen, indem sie sich ihnen in den Weg stellen. In deutschen Medien herrscht ein seltsames Schweigen hierzu. Und wenn, dann wird eher abfällig über die Zivilisten berichtet.[21] Wie würden solche Szenen kommentiert, kämen sie aus dem Iran, aus China oder Venezuela?

Prinzipien je nach Gusto

Zur Erinnerung: Wenn zu Zeiten des Euro-Maidan auch nur ein gepanzertes Polizeifahrzeug in Kiew zu sehen war, sprach so mancher deutsche Journalist von rollenden Panzern Janukowitschs gegen die eigene Bevölkerung. Ein zweites Tian’anmen oder die Wiederholung der Prager Ereignisse von 1968 deuteten sich an.[22] Nun schickt die neue Regierung tatsächlich ihre Armee gegen Einwohner des Landes. Und die Medien? Sie übernehmen fast eins zu eins Wortwahl und Standpunkt der Kiewer Staatsführung.[23] Grundsätzliche Kritik gibt es nicht.[24]
Ganz im Gegenteil: Die gerade erst mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis ausgezeichnete ARD-Korrespondentin Golineh Atai meinte etwa in einer Live-Schalte aus Donezk: "Diese Militäroffensive kommt leider viel zu spät."[25] Wie lassen sich derartige Meinungen im öffentlich-rechtlichen Fernsehen eigentlich rechtfertigen? Die Aussage der Vorzeige-Reporterin macht die höchst wechselhafte Haltung deutscher Top-Journalisten zu militärischer Gewalt erneut deutlich.[26] Wer sich an die einhellige Verurteilung der Polizeigewalt gegen die Maidan-Bewegung erinnert, wird den Eindruck der extremen moralischen Biegsamkeit so mancher Journalisten nicht los.
Ähnliches gilt für den Tod zahlreicher Regierungsgegner in Odessa. Grundsätzlich ist es absolut zu begrüßen, dass sich Medien vorsichtig über Täter und Tathergänge äußern, solange noch wenig bekannt ist. Jedoch macht die gefühlte Nachrichtensperre über den Brand mehr als nachdenklich. Vergleichsweise wenige Artikel setzen sich mit den Geschehnissen auseinander. Wenn, dann wird verklausuliert und rumgeeiert.[27] Kaum ein Journalist verurteilt die auf zahlreichen Videos[28] vom Tatort zu sehenden Hooligans und Nationalisten.[29]
Odessa und Mariupol: In beiden südukrainischen Städten töteten nationalistische Hooligans bzw. Soldaten zahlreiche Regierungsgegner. Für deutsche Medien waren die Opfer konsequent pro-russische Kräfte. Bilder: Aus YouTube-Videos vom4. Mai (links) und 9. Mai (rechts).

Schwere handwerkliche Fehler

Moralische Doppelstandards sind das eine – berufsethische Verfehlungen das andere. Quasi wöchentlich treten neue grobe handwerkliche Fehlleistungen deutscher Medien im Ukraine-Konflikt zu Tage. Aktuellste Beispiele für das kollektive Recherche-Versagen sind die Waffen der "Separatisten", das Wiener Dokument, völkerrechtliche Streitpunkte und auch das Ignorieren des westlichen Wirtschaftskrieges gegen Russland.
Wo sind die Waffenexperten, die aufklären könnten, ob die Ausrüstung der Aufständischen tatsächlich nur aus russischen Militärbeständen stammen kann? Wo sind die Völkerrechtler, die das Für und Wider der gegenteiligen Positionen zum Krim-Anschluss darstellen? [30] Wo ist die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Wiener Dokument und der Abgleich dessen mit dem Vorgehen der Bundeswehr-Soldaten in der Ost-Ukraine? Warum lassen Redaktionen den westlichen Wirtschaftskrieg[31] gegen Russland quasi außen vor? Welche rechtlichen Grundlagen gibt es eigentlich für Sanktionen und Boykotte? Zahlreiche Themengebiete für kritischen Journalismus.
Statt all dieser Fragen besprechen die "Qualitätsmedien" hierzulande Umarmungsfotos von Geburtstagsfeiern, erstellen Putin-Psychogramme und liefern bunte Grafiken zu den Waffenarsenalen der Nato und Russlands. An den Haaren herbeigezogene Szenarien wie ein russischer Angriff auf das nordatlantische Bündnis finden genauso Raum wie Rüstungsaufrufe von Rüstungslobbyisten.
Festzuhalten bleibt: Viele hiesige Journalisten meiden innerukrainische Erklärungen für einen innerukrainischen Konflikt so gut es geht. Gleichzeitig präsentieren sie mit Russland/Putin einen Schuldigen, auf den sie alles abwälzen. Positionen und Sprachregelung westlicher Akteure werden vorschnell übernommen und deren Argumente nur selten auf Stimmigkeit geprüft. Kritisches Nachhaken fällt aus.

Die Permanenz und das breite Auftreten all dieser Missstände seit November 2013 sprechen klar für Vorsatz bei Chefredakteuren, Ressortleitern und Herausgebern deutscher Medien. Genauso klar ist die Konsequenz daraus: Desinformation darf nicht zur Zukunft medialer Konflikt-Berichterstattung werden.